Analyse der kooperativen Aspekte der Gruppen- und Föderationsförderungen im MSFSCIP Kurigram Distrikt, Bangladesch
1. VORWORT
Im Rahmen des Praktikums vom 23.02. – 19.04.1995 in Bangladesch beschäftigte ich mich mit den am Projekt beteiligten Organisationen und führte Diskussionen und Befragungen während der Besuche vor Ort mit den Mitgliedern der Primärgruppen und Föderationen durch, um die Information direkt zu erhalten und auswerten zu können.
Diese Studie ist nun ein Versuch, die kooperativen Aspekte des Marginal and Small Farm Systems Crop Intensification Project (MSFSCIP) Kurigram Distrikt im Nordosten Bangladeschs zu analysieren.
Der Bericht ist in sechs Kapitel gegliedert. Nach den einleitenden Worten folgt in Kapitel 2 eine Beschreibung des Studiengebietes, die einen Überblick über den Kurigram Distrikt geben soll. In Kapitel 3 wird das Projekt kurz vorgestellt. Die Kapitel 4 und 5 befassen sich eingehend mit ausgewählten Aspekten der Studie im Rahmen der Gruppen- und Föderationsförderung im MSFSCIP. Im abschließenden 6. Kapitel wird auf mögliche Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung des Projektes hingewiesen.
Mein besonderer Dank gilt vor allem dem Project Co-ordinator Herrn Dr. J.L. Dupuis, Herrn S. Hossain, Herrn Dr. F. Kahrs, Herrn H. Willems, Herrn Benjamin und anderen vom MSFSCIP, dem Director Herrn A.M. Armstrong, dem Project Administrator Herrn N.H. Sarker, Herrn S. Saha und anderen vom RDRS und Herrn T. Hassan von der DAE.
Schließlich möchte ich mich noch ganz herzlich bei all denjenigen bedanken, die mit freundlicher Unterstützung und viel Geduld zu einem erfolgreichen Abschluß meines Praktikums beigetragen haben.
2. BESCHREIBUNG DES STUDIENGEBIETES
2.1 Geographische Darstellung
Der Kurigram Distrikt liegt im äußersten Nordosten Bangladeschs. Die Bodenfläche des Distrikts beträgt 2.300 Quadratkilometer. Davon liegen 460 Quadratkilometer (20%) in der Regenzeit und 140 Quadratkilometer (6%) in der Trockenzeit[1] unter Wasser. 150.000 ha des Landes sind bepflügbar.
Die Einwohnerzahl dieses Distrikts beträgt 1.600.000, die in 300.000 Haushalten leben. Die Bevölkerungsdichte beträgt ca. 700 Personen pro Quadratkilometer, damit liegt sie etwas unter der durchschnittlichen Bevölkerungsdichte des Landes.
Der Brahmaputra, ein im Himalaja entspringender Fluß, Dharla, Teesta und ihre Arme fließen durch diesen Distrikt. Während des Monsuns, bzw. der Regenzeit, führen diese Flüsse so viel Wasser mit sich, daß das Gebiet überschwemmt wird. Im Gegensatz dazu kommt es während der Trockenzeit zu Dürren. Die Menschen in diesem Distrikt, die sich grundsätzlich in einer agrarischen Gesellschaft befinden, sind fast jedes Jahr von diesen Extremen der Natur bedroht. Diese ungünstigen Klimaverhältnisse beeinflussen die landwirtschaftliche Produktivität und damit ihr Einkommen und ihre Existenz sehr stark.
2.2 Sozio-ökonomische Situation
Kurigram, gekennzeichnet durch eine unterentwickelte Infrastruktur, ein niedriges Einkommens- und Ausbildungsniveau und eine schlechte Ernährungs- und Gesundheitssituation, zählt zu den ärmsten Distrikten Bangladeschs.
Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in dieser Region liegt bei US$ 100, weit unter dem BSP des Landes, das bei US$ 220 pro Person liegt. Die Beschäftigungsmöglichkeiten der Menschen in dieser Region sind begrenzt. Landwirtschaft, Fischerei, Handel und der Verkauf der eigenen Arbeitskraft sind die wichtigsten Branchen. Außerhalb der Landwirtschaft bietet der Arbeitsmarkt nur noch sehr geringe Perspektiven.
3. DAS PROJEKT
3.1 Die Projekt Partner
1987 unterschrieb die bengalische Regierung mit dem International Fund for Agricultural Development (IFAD) ein Darlehensabkommen über ein Entwicklungsprojekt, Marginal and Small Farm Systems Crop Intensification Project (MSFSCIP). Aufgrund einer Nachfrage der IFAD an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) über eine zusätzliche Partnerschaft, beauftragte das BMZ die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH damit, ein Angebot für eine Projektdurchführung abzugeben. Im April 1989 nahm die GTZ ihre Arbeit an dem Projekt auf. Die anderen beteiligten Partner sind der Beratungsdienst des Landwirtschaftsministeriums von Bangladesch, das Department of Agricultural Extention (DAE) und die Bangladesh Bank (BB), die bengalische Zentralbank. Weiterer Kooperationspartner ist eine seit dem Unabhängigkeitskrieg von 1971 tätige NGO, nämlich der Rangpur Dinajpur Rural Service (RDRS).
3.2 Finanzierung
Das Projekt wird parallel von der IFAD, der GTZ und der bengalischen Regierung finanziert. Die öffentlichen Dienste, wie z.B. DAE, werden von der bengalischen Regierung finanziert. Die IFAD hat der bengalischen Regierung ein Darlehen in Höhe von US$ 3 Millionen zur Verfügung gestellt, das mit 1% Zinsen in 50 Jahren zurückzuzahlen ist.
Dieses Volumen wird über die bengalische Zentralbank, bzw. an dem Projekt beteiligte Banken, an die Selbsthilfegruppen (SHG) als Kredit weitervergeben. Neben der Bereitstellung des Kreditfonds fördert IFAD die Gruppenbildung und die Ausbildung der Kleinbauern über die Intensivierung der Ernte, Marketing, Kreditmanagement etc., sowie die landwirtschaftliche Beratung und Forschung durch die DAE.
Die GTZ unterstützt das Projekt mit deutschen Experten, Teilausstattung der Banken, Weiterbildung des Bankpersonals, Planung, Beratung und Überwachung des Kredit- und Einkommensgenerationsprogrammes der Existenzbauern. Gruppenbildung, sowie Ausbildung der Existenzbauern über das Investitions- und Kreditmanagement werden von der GTZ über eine Project Support Unit (PSU) und durch das RDRS gefördert. Ein Kreditsicherheitsfond in Höhe von DM 1 Million wird von der GTZ zur Verfügung gestellt, der aber nur 30% der möglichen Kreditausfälle deckt. Die Banken müssen also den größten Teil des Risikos selbst tragen.
Abbildung 1: Das MSFSCIP im Überblick
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3.3 Die Ziele
Die Hauptziele dieses Projektes sind die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen durch Verbesserung bzw. Stabilisierung der finanziellen Situation der ausgewählten Existenz- und kleinbäuerlichen Haushalte, die durch höhere Produktivität, höhere Einkommen und besseren Ernährungsstatus charakterisiert werden sollen, sowie die Verlangsamung des Marginalisationsprozesses solcher Haushalte. Um das Ziel zu erreichen, arbeitet das MSFSCIP auf Selbsthilfebasis.
Die Grundkonzepte sind:
q eine „Linkage“ zwischen den Selbsthilfegruppen und den am Projekt Beteiligten vier gewerblichen Banken zu schaffen und damit den Zugang der Zielgruppen zu den formalen Finanzsektoren zu ermöglichen,
q die Förderung der Einkommensgenerationsaktivitäten durch Training und Beratung sowohl in der Landwirtschaft als auch in den sonstigen Bereichen zu fördern,
q in der Landwirtschaft die Intensivierung der Ernte besonders zu fördern,
q ein nachhaltiges System zu entwickeln, damit die Zielgruppe ohne fremde Unterstützungen die kooperative Organisation weiterführen und fortentwickeln kann.
3.4 Die Zielgruppe
Die ländlichen Bewohner des Kurigram Distrikts, die hauptsächlich in der Landwirtschaft tätigt sind, bilden die Zielgruppe des MSFSCIPs. Dabei wird jedoch zwischen Existenz- und Kleinbauern unterschieden. Der Landbesitz, bzw. das Nutzungsrecht (z.B. durch Pachtung) der Bodenfläche, wird als Hauptkriterium der Kategorisierung der Bauern betrachtet.
Die Kleinbauern verfügen über Nutzungsrechte für 0,6 bis 1 ha Land und machen 15% der Bevölkerung des Kurigram Distrikts aus. Sie nutzen 24% der pflügbaren Bodenfläche.
Ihr relativ hohes Ausbildungsniveau, eine bessere finanzielle Lage und größerer Landbesitz etc. haben zur Folge, daß sie in der Gesellschaft höher angesehen werden als die Existenzbauern.
Die bäuerlichen Haushalte, die auf einer Landfläche von 0,2 bis 0,6 ha arbeiten (d.h. besitzen oder pachten), werden als Existenzbauern kategorisiert.
Sie machen 24% der gesamten Bevölkerung aus und arbeiten auf 19% des pflügbaren Bodens des Distrikts. Sie haben teilweise gar kein oder ein relativ geringeres akademisches Ausbildungsniveau als die Kleinbauern.
Da das Einkommen aus der Bearbeitung ihres nutzbaren Bodens nicht für die Lebensunterhaltung ausreicht, weil bereits ein Minimum von 0,6 bis 1 ha Land notwendig ist, um eine Familie mit 5 Mitgliedern[2] zu ernähren, müssen sie neben ihrer Tätigkeit in der Landwirtschaft auch in anderen Bereichen, wie z.B. Handel, Fischerei etc., tätig werden und zusätzlich ihre Arbeitskraft verkaufen.
4. GRUPPENFÖRDERUNG DURCH DAS MSFSCIP
4.1 Die Förderung der Kleinbauern
Der gemeinsame Arbeitsstab aus DAE und RDRS, das Small Farmer Unit, betreut die Kleinbauerngruppen. Die landwirtschaftlichen Berater der DAE wählen die Kleinbauern aus und motivieren sie dazu, sich in Gruppen zusammenzuschließen. Die Mitgliederzahl solcher Kleinbauerngruppen bewegt sich zwischen 10 und 20. Normalerweise sind es männliche Vertreter der Haushalte. Es gibt aber auch Kleinbauerngruppen, die aus weiblichen Vertretern der Hauhalte bestehen. Eine gemischte Gruppe existiert nicht. Nach Gründung einer Gruppe schickt sie ihre gewählten Vertreter (Officebearer) zur RDRS, um Kurse über die Gruppenorganisation und das Investitions- und Kreditmanagement zu absolvieren. Ergänzend fördern die Kurse auch das Unternehmertum der Bauern und den Geschäftsverkehr mit Banken.
Die anderen Mitglieder bekommen kein Training und haben keine Kurse zu absolvieren.
Es wird damit begründet, daß die Kleinbauern über ein relativ hohes Ausbildungsniveau und auch über mehr Erfahrung im Management und anderen ökonomischen Bereichen verfügen.
Dennoch erfolgt eine regelmäßige Betreuung über die Intensivierung der Ernte und Überwachung der Gruppenkredite als „Reminder“ durch Berater der DAE vor Ort.
4.2 Die Förderung der Existenzbauern
Die Förderung der Existenzbauern fordert eine intensivere Ausbildung und Betreuung bezüglich der Auswahl der Investitionssektoren, des Kreditmanagements und regelmäßigem Sparen. Das Ziel dieser Förderung ist in erster Linie die Qualifizierung der Existenzbauern für das „Linkage System“.
Der größte Teil dieser Förderung, wie etwa die Kontrolle der regelmäßigen Spareinlagen und die Entwicklung ihrer Investitionen, wird parallel von dem RDRS-Thana- Officer und dem Field-Credit-Officer der GTZ vorangetrieben. Aber sie dürfen sich nicht in die Entscheidungsspielräume der Existenzbauern einmischen. Nach einer erfolgreichen Verbindung mit einer der beteiligten Banken ergibt sich die Frage, inwieweit die Gruppe organisatorisch und finanziell die Beziehung mit ihrer Bank pflegen oder überhaupt aufrechterhalten kann. Gruppendiskussionen wiesen jedoch eine starke Motivation und ein großes Sparpotential der Gruppenmitglieder auf. Die Mitglieder der Gruppen glauben, daß durch Schaffung einer Verknüpfung zwischen den Banken und Gruppen für sie, wie ein Mitglied angab, „sich die goldene Tür in Richtung zu einem besseren Leben öffnen werde“. Ohne den Zusammenschluß in einer Selbsthilfegruppe hätte man nie Kredite von einer Bank erhalten können.
Trotz solcher Überzeugung war bei einigen Gruppen zu beobachten, daß organisatorische Belange, wie z.B. die Selbstverwaltung der Gruppen, noch nicht vollständig durch die Gruppenmitglieder umsetzbar sind. Um daraus resultierende mögliche Fehlinvestitionen und Kreditausfälle zu vermeiden, ist es notwendig solche instabilen Gruppen zu identifizieren und weiterhin zu fördern, bis sie selbständig verantwortungsvolle Entscheidungen treffen können.
5. DIE FÖDERATION
Unter Föderation der Primärgruppen versteht man laut einem RDRS-Papier den Zusammenschluß mehrerer Primärgruppen eines bestimmten Gebietes (Union, Thana, District etc.)[3] zu einer größeren Kooperation, um gemeinsam ihre Interessen zum Wohl der Gruppen, einschließlich der Mitgliederhaushalte, zu realisieren.
Dieser Bericht wird sich hauptsächlich auf die Föderation in der Unionsebene, also auf die Unionsföderation, konzentrieren.
Mitglieder dieser Vereinigung in der sekundären Ebene sind nicht individuelle Personen oder Haushalte (wie es bei den Primärgruppen der Fall ist), sondern die einzelnen Primärgruppen selbst. Diese Vereinigung soll theoretisch keinen Einfluß auf die Autonomie der Primärgruppen haben, wie z.B. deren Existenz, Struktur oder Zielsetzung etc. Jede Gruppe der Föderation besteht also weiterhin in ihrer ursprünglichen Form, als eine unabhängige und selbständige Organisation neben der Vereinigung in der sekundären Ebene mit eigenen Rechten und Pflichten fort.
5.1 Die Organisation
Die Unionsföderation besteht aus zwei Organen, dem General Committee[4] und dem Executive Committee[5]. Das General Committee wird aus zwei Vertretern pro Primärgruppe gebildet, wobei ein Vertreter i.d.R. der Vorsitzende der Primärgruppe sein wird, und der andere von der Primärgruppe nominiert oder gewählt wird. Das Executive Committee besteht aus 9 Mitgliedern, die vom General Committee nominiert oder gewählt werden. Bei einer gemischten Föderation (aus Männer- und Frauengruppen) müssen mindestens 2 – 3 Frauen darunter sein. Dieses Executive Committee besteht für zwei Jahre und muß danach in gleicher Weise erneut gewählt werden.
Abbildung 2: Die organisatorische Struktur der Unionsföderation
5.1.1 Die Versammlung
Alle zwei Monate versammelt sich das General Committee, um die Entwicklung der Primärgruppen der Föderation und deren geleisteten Beitrag während der letzen zwei Monaten zu analysieren. Mindestens 2/3 der Mitglieder sind für die Versammlung erforderlich. Sollte es notwendig sein, wird in der Versammlung für die nächsten zwei Monate über die erforderlichen Maßnahmen, die zu ergreifen sind, entschieden. Außerdem entscheidet das General Committee über die Einnahmen und Ausgaben der Unionsföderation, und genehmigt sie mit Einwilligung von mindestens 2/3 der Mitglieder.
Die Executive- Committee- Versammlung findet monatlich statt. In der Versammlung wird die Entwicklung des letzen Monates ausgewertet, und für die Durchführung der Aktivitäten werden die erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Für die Versammlung müssen wiederum 2/3, also 6 von 9 Mitgliedern, anwesend sein.
Das Executive Committee hat alleine keine Entscheidungsbefugnis, sondern hat die bei dem General Committee angefallenen Entscheidungen umzusetzen.
Mindestens einmal im Jahr versammeln sich alle Mitglieder der Unionsföderation, also die einzelnen Mitglieder der Primärgruppen, zu einer Generalversammlung, um die jährliche Entwicklung der Föderation zu analysieren und um die Jahresabschlußbilanz von den Mitgliedern billigen zu lassen. Außerdem werden das Programm und das Budget für das nächste Jahr mit Zustimmung der Mitglieder verabschiedet.
5.1.2 Der Entscheidungsprozeß
Die Entscheidungen werden auf Basis der absoluten Mehrheit getroffen. Die Mitglieder des General Committees, die gleichzeitig Vertreter der Primärgruppen sind, diskutieren über die Probleme, Anregungen und ihre möglichen Lösungsansätze jeweils mit ihrer Gruppe und bringen die von den Gruppenmitgliedern gewünschten Ideen und Vorschläge mit in die Diskussion ein.
Alle zwei Monate werden dann bei der regelmäßig stattfindenden Versammlung des General Committee mit allen anderen Gruppenvertretern die Vorschläge erörtert, und es wird unter Abwägung aller Vor- und Nachteile eine für alle akzeptable Entscheidung getroffen. In diesem Entscheidungsprozeß kommen die möglichen Lösungsansätze von den Gruppen selbst, also von der untersten Ebene. Folglich wirken die einzelne Mitglieder der Primärgruppen über ihre Vertreter direkt bei der Entscheidungsfindung mit.
5.2 Kooperative Aspekte der Unionsföderation
Die kooperativen Aspekte der Unionsföderationen der Primärgruppen sind zur Zeit von unterschiedlichen Standpunkten aus zu betrachten. Die meisten Mitglieder der Föderationen sind davon überzeugt, daß sie durch Föderationen ihre kooperativen Aktivitäten viel effizienter organisieren und durchführen können. Aber während der Diskussionen mit den Befürwortern der Föderation deutete sich gleichzeitig an, daß sie oft noch über keine konkreten Vorstellungen bezüglich Finanzierung, Führung und Organisation der Föderationen verfügen.
Die am MSFSCIP beteiligten Finanzinstitutionen sind dagegen bezüglich der potentiellen kooperativen Rolle der Föderation sehr skeptisch, denn weder die Föderationen noch die anderen am Projekt beteiligten Organisationen und Institutionen haben ausreichende Erfahrung in der Praxis gewonnen, um eine klare Situation skizzieren zu können. Die Föderationen der Primärgruppen befinden sich im Rahmen des MSFSCIPs, also noch im Entwicklungsstadium. Nun ist zu untersuchen, inwieweit durch die Föderationen sowohl institutionelle, soziale und oder wirtschaftliche Aspekte der Gruppenförderung realisiert werden können.
5.2.1 Institutionelle und soziale Aspekte
In einer ländlichen Gesellschaft, wie das Studiengebiet, ist die soziale Anerkennung und gemeinsame Überzeugung einer Kooperation sehr wichtig, vor allem für die institutionelle und soziale Nachhaltigkeit eines genossenschaftlich organisierten Projektes wie dem MSFSCIP. Aufbau der Institution und eine solide Basis der Kooperation sind einige der wichtigsten Merkmale der genossenschaftlichen Selbsthilfeorganisationen, sowohl von ihrem qualitativen als auch quantitativen Potential aus betrachtet.
Durch Zusammenschlüsse der Primärgruppen in der sekundären Ebene zu einer Föderation wurden noch weitere wichtige Schritte zum Aufbau der Institution getan. Solche institutionellen Aspekte sind notwendig, um die Ressourcen der Mitglieder durch Ersparnisse sowie soziales Bewußtsein zu fördern.
Trotz relativ kurzer Zeit und geringer Erfahrung konnten die meisten Mitglieder der Föderation sowohl ihre private, als auch gesellschaftliche Position, wie etwa die Beseitigung der Unterdrückung durch die Oberschichten, verbessern. Sie sind nun selbstbewußter und motivierter. Die gesellschaftliche Anerkennung, als auch die Wiederherstellung der Gerechtigkeit für die Armen in der Gesellschaft, sind inzwischen ein bedeutender sozialer Aspekt und ein sehr überzeugender Grund für die Mitgliedschaft geworden.
Durch Fallstudien der Rajarhat Unionsföderation in Rajarhat Thana lassen sich einige der sozialen Aspekten erklären:
Eine Frau, die Mitglied einer der Frauengruppen der Rajarhat Unionsföderation ist, wurde um ihr Grundstück betrogen und vergewaltigt. Ihrem Ehemann erzählte sie zunächst nichts davon, um den Familienfrieden zu bewahren. Nach einiger Zeit erfuhr jedoch ihr Ehemann von den Geschehnissen und sprach daraufhin mit seiner Ehefrau. Nun beschlossen sie gemeinsam, sich an die Föderation zu wenden. Diese trat für sie ein und verklagte den Täter, was dem Ehepaar ohne deren aktive Unterstützung aufgrund ihrer sozialen Stellung nicht möglich gewesen wäre.
5.2.2 Wirtschaftliche Aspekte
Die wirtschaftlichen Aspekte der Unionsföderation spielen bereits bei der Zielsetzung, wie z.B. der Verbesserung der finanziellen Lage der Primärgruppen, eine Schlüsselrolle. Vor allem die Föderation soll dazu beitragen, eine Brücke zwischen den Gruppenmitgliederhaushalten (GMH) und den beteiligten Banken zu schlagen. Der traditionelle und klassisch bürokratische formelle Finanzsektor kann durch die Föderation, also durch eine größere Kooperation, überwunden werden, um den Zugang der GMH zur Kapitalbeschaffung zu fördern. Hierzu dienen in erster Linie die organisatorischen und solidarischen Elemente der Föderation.
5.2.2.1 Kredite durch die Föderation
Die Reduzierung der Abhängigkeit der Primärgruppen von fremder Unterstützung, wie dem RDRS und damit die Verstärkung organisatorischer und finanzieller Fähigkeiten der Mitglieder erfordert die Integration eines Systems, das die Selbstverantwortung und Selbstverwaltung beinhaltet. Beispielsweise kann die Kreditvergabe und verwaltung durch die Föderationen in diesem Fall so ein Element des Systems sein.
Die Föderationen können nämlich die Überbrückung, Beratung und Pflege der finanziellen Beziehungen übernehmen. Dadurch werden automatisch die Gruppen unabhängig, und der Internalisierungsprozeß zur Selbstverantwortung, Selbstverwaltung etc. wird vorangetrieben.
Die Mitglieder der Unionsföderationen haben offenbar hohe Erwartung an ihre Organisation. Die Zugehörigkeit zu einer größeren Gemeinschaft hat unter den Mitgliedern zur Verbreitung eines steigenden Selbstbewußtseins geführt. Die Unterstützungen und Beratungen bezüglich der Kredite und Investitionen sind einige der wichtigsten Funktionen, die die Mitglieder von der Föderation erwarten. Sie dienen als „Reminder“ für die Regelmäßigkeit der Spareinlage und Rückzahlung ihrer Kredite. Bezüglich Informationsbeschaffung und Investitionsplanung kann die Föderation ergänzend tätig werden.
Dagegen sind die beteiligten Banken von der zukünftigen Rolle der Föderationen nicht sehr überzeugt. 21 von 28 oder 75% der befragten Banken haben angegeben, daß sie die Föderationen nicht für ein optimales „Financial Intermedia“ halten können. Manche Filialleiter (Manager) brachten ihre persönlichen Diensterfahrungen ins Gespräch, die sie mit der Föderation vergleichbaren Systemen, also über ein Intermedia bei finanziellen Transaktion, gemacht haben, um damit ihre Argumente zu begründen. Aber die meisten der angeführten Argumente beruhten auf unbegründeter Furcht vor einem möglichen Kreditausfall. Ein weiterer Grund ist vielleicht auch die fehlende Erfahrung mit der Föderation im Kreditbereich. Die Bankfilialen, die relativ mehr Erfahrungen mit den Föderationen gemacht haben, wiesen darauf hin, daß eine Kooperation möglich ist, solange die Föderationen von der „Village Politics“ nicht beeinflußt sind und unabhängig arbeiten. Einige der Bankfilialen, wie z.B. die Agrani Bank Bhitorbond äußerten sich voller Zufriedenheit über die Zusammenarbeit mit der Föderation. Es hänge in der Anfangsphase für einen Erfolg des Linkage Systems grundlegend von dem Führungsstil, also sowohl von der Führungsqualität als auch von der Führungspersönlichkeit der Föderation und ihrer Beziehung zu den Bankmanagern ab.
5.2.2.2 Sonstige wirtschaftliche Aspekte
Nach den Vorstellungen der Mitglieder der Unionsföderationen sollen sich die Förderungen nicht auf den Kreditbereich beschränken. Sie setzen auch eigenes Unternehmertum ein, um ihre wirtschaftliche Lage zu stabilisieren bzw. zu verbessern.
Die Föderationen treten einerseits als Unternehmer auf dem Absatzmarkt zur Vermarktung der Produkte der Mitglieder und andererseits auf dem Bezugsmarkt zur Beschaffung von Inputs auf, um daraus Vorteile für ihre Mitglieder zu erzielen.
Da die Föderationen über soziale Anerkennung und Akzeptanz verfügen, können sie die öffentlichen Wirtschaftsgegenstände wie z.B. Basar, Hat, Bil, Khash Land[6] etc. von der zuständigen Behörde pachten (leasen) und erwirtschaften damit für ihre Mitglieder finanzielle Vorteile, um so ihren Mitgliederförderauftrag umfassender erfüllen zu können. Die zuständigen Behörden halten die Föderationen für seriöse und zuverlässige Partner, nicht nur wegen ihrer Stärke, die sich aus dem Zusammenschluß zu einer größeren Kooperation ergibt, sondern auch aufgrund der solidarischen Haftung ihrer Mitglieder. Außerdem können die Föderationen ihre gesellschaftliche Akzeptanz nutzen, um unter anderem sozio-ökonomische Konflikte unkompliziert zu lösen, wie das folgende Beispiel zeigt:
Einem Bauern in der Rajarhat Union, der seine Ernte (Nüsse, die man zusammen mit Blättern der Bettelpalme kaut, was in diesem Distrikt eine lange Tradition ist und eine sehr hohe kulturelle Bedeutung genießt) an die Rajarhat Unionsföderation im voraus im Wert von Tk. 3000 verkauft hatte, die nach Angaben der Unionsföderation während der Erntezeit einen geschätzten Marktwert von Tk. 5000 haben werden, wurde ein Teilbestand dieser Nüsse von seinem Sohn gestohlen und auf dem Markt verkauft, ohne das der Bauer davon wußte. Problematisch war, daß der Bauer über kein Geld verfügte, um den von der Föderation erlangten Kaufpreis für die Ernte sofort zurückzuzahlen. Auch der Sohn besaß kein Geld, da er den Erlös aus dem Verkauf bereits ausgegeben hatte. Daraufhin wurde zusammen mit den Mitgliedern der Föderation und dem Bauern vereinbart, daß der Schaden durch die nächste Ernte ersetzt wird.
6. ABSCHLIESSENDE WERTUNG
6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
Der institutionelle, soziale und wirtschaftliche Entwicklungsgrad der Klein- und Existenzbauern im Kurigram Distrikt im Rahmen des MSFSCIPs steht auf unterschiedlichen Stufen. Das folgt aus deren verschiedenen Führungsstilen, organisatorischen Fähigkeiten und Erfahrungen in der wirtschaftlichen Betätigung.
Die Primärgruppen, die ihre Führungs- und organisatorischen Fähigkeiten und ihr Sparpotential verbessern konnten, wiesen deutlich eine positive Veränderung der sozio-ökonomischen Situation auf, die an einer Steigerung wie z.B. ihrer Vermögenswerte, des Tierbestandes etc. erkennbar ist.
Aber nur wenige der Unionsföderationen der Primärgruppen konnten bis jetzt aufgrund ihrer relativ geringen Erfahrungen im organisatorischen und finanziellen Bereich, dem Gruppenmanagement und vor allem wegen ihrer für sie unklaren Rolle im Rahmen des Projektes, einen überzeugenden Beitrag zur Schaffung eines Dachverbandes für die Primärgruppen in der sekundären Ebene leisten. In dieser Situation ist es wichtig, anstatt Innovationen von den Föderationen zu erwarten, zunächst ihre Implementationskapazität in das Projekt zu integrieren.
Trotzdem ist die potentielle Rolle der Föderationen für die Reduzierung der Abhängigkeit der Primärgruppen von fremder Unterstützung und für die Förderung des Internalisierungsprozesses zur Selbständigkeit und Institutionalisierung nicht zu unterschätzen. In den Föderationen ist ein hohes Maß an sozio-ökonomischer Eigendynamik sowohl im Kreditbereich, als auch bei den Einkommensgenerationsaktivitäten versteckt. Diese kann nun von ihren Mitgliedern entdeckt und zur gemeinsamen Zielerfüllung realisiert werden.
6.2 Schlußfolgerung
Die relativ instabilen Gruppen sollten nach der Häufigkeit der Kreditvergabe und der Rückzahlungsfrequenz, nicht unbedingt nach dem Alter der Gruppe in der Primärebene, herausgefiltert und gezielt weitergefördert werden, damit sie die Grundkonzepte der Kooperation, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Entwicklung verinnerlichen können.
Dies kann Schritt für Schritt von den Unionsföderationen der Primärgruppen übernommen werden, indem das bestehende Linkage System zwischen den Banken und den Gruppenmitglieder weiter ausgebaut wird.
Besuchte Gruppen
NR. | THANA | UNION | GRUPPENNAME | M / F[7] | MITGLIED |
1 | Bhurungamari | Pathordubi | Mondolpara | M | 20 |
2 | Bhurungamari | Char Bhur.Mari | Husar Balaakota | F | 20 |
3 | Chilmari | Ranigonj | Sub Band | M | 20 |
4 | Chilmari | Ranigonj | D. Mozertari | M | 16 |
5 | Chilmari | Thanarhat | Beparipara Polidal | M | 23 |
6 | Fulbari | Kashipur | Kowa Dubirpara | M | 25 |
7 | Fulbari | Kashipur | Khanki | F | 25 |
8 | Kurigram | Belgacha | Modhyapara | M | 12 |
9 | Kurigram | Belgacha | Dhula Ura | M | 20 |
10 | Kurigram | Belgacha | Golabari | M | 20 |
11 | Kurigram | Belgacha | Jolapara | F | 21 |
12 | Kurigram | Belgacha | Nayana | F | 22 |
13 | Kurigram | Holokhana | Ververy Kurarper | F | 20 |
14 | Kurigram | Holokhana | Balak Ura-2 | F | 15 |
15 | Kurigram | Kanthalbari | Pramanik Tari | M | 21 |
16 | Kurigram | Pourashava | Akota Para-3 | F | 20 |
17 | Kurigram | Pourashava | Challakurarpar | F | 20 |
18 | Nageshwari | Hasnabad | Monipur Adorsho | M | 25 |
19 | Nageshwari | Hasnabad | Telipara | F | 22 |
20 | Rajarhat | Chakirpasha | Bowal Tari | M | 21 |
21 | Rajarhat | Chakirpasha | Pathan Para | F | 18 |
22 | Rajarhat | Chakirpasha | Pathan Para | F | 18 |
23 | Rajarhat | Ghorial Danga | Char Nakanda-2 | F | 20 |
24 | Rajibpur | Rajibpur | Nama Prara | M | 25 |
25 | Rajibpur | Rajibpur | Karigor Para | F | 25 |
26 | Rowmari | Datbhanga | Dharmopur-2 | F | 21 |
27 | Rowmari | Datbhanga | Ghograr Char-3 | M | 25 |
28 | Ulipur | Gunaigach | Sadar Para-3 | F | 21 |
29 | Ulipur | Gunaigach | Sadar Para-2 | F | 18 |
Besuchte Unionsföderationen
THANA | UNIONSFÖDERATION | |||
Bhurungamari | Char Bhur. mari | Raigonj | Shilkuri | Pathordubi |
Chilmari | Ranigonj | Thanahat | Chilmari | Ramna |
Fulbari | Kashipur | Shimulbari | Fulbari | Bhangamor |
Kurigram | Belgacha | Holokhana | Pourashava | Kanthalbari |
Nageshwari | Bamondanga | Kachakatha | Nayanapur | Ramkhana |
Rajarhat | Ghorialdanga | Chakirpasha | Rajarhat | Omarmajid |
Rajibpur | Mohongonj | Rajibpur | ||
Rowmari | Datbhanga | Shoulmari | Bondorbar | Jadurchar |
Ulipur | Gunaigach | Durgapur | Buraburi | Hatia |
Besuchte Bankfilialen
AGRANI | JANATA | SONALI | RAKUB |
Bhitorbond | Bhurungamari | Bhurungamari | Bamonerhat |
Bhurungamari | Chilmari | Chilmari | Bhurungamari |
Chilmari | Kurigram | Fulbari | Chilmari |
Kurigram | Ulipur | Kurigram | Fulbari |
Nageshwari | Kurigram (R.O.) | Kanthalbari | |
Rajarhat | Nageshwari | Kurigram (R.O.) | |
Ulipur | Rowmari | Nageshwari | |
Ulipur | Rajarhat | ||
Rajibpur | |||
Rowmari | |||
Ulipur |
[1] Vgl.: Bangladesh Water Development Board Report, Dhaka 1994
[2] Eine durchschnittliche bengalische Familie hat 7 Mitglieder
[3] Verwaltungseinheiten in verschiedenen Ebenen
[4] Vergleichbar mit einem Aufsichtsrat
[5] Vergleichbar mit einem Vorstand
[6] Markt, Wochenmarkt, staatliche Wasserfläche, staatliche Grundfläche
[7] F Frauengruppe
M Männergruppe